Mind Extension University

MBA-Fernstudium über Internet

Man kennt Fernuniversitäten, deren Kurse in Papierform zuhause abgewickelt werden. Auch das über die dritten Programme laufende Telekolleg hat sich bewährt. Nun werden Kurse über Fernsehen und Internet angeboten.

Die Vorteile des Fernstudiums kommen besonders dann zum Tragen, wenn der Studienaspirant bereits im Berufsleben steht oder im Haushalt eingespannt ist, täglich jedoch einige Stunden Zeit entbehren kann und gewillt ist, selbstständig zu arbeiten. Besonders trifft dies natürlich bei Studiengängen zu, die als Zusatzqualifikation gern gesehen sind. Der amerikanische MBA (Master of Business Administration) ist dabei eine bei Ingenieuren aus dem technischen Bereich gesuchte Wirtschafts-Qualifikation zum Aufstieg ins Management. Da dieses Interesse oft erst akut wird, wenn die Betreffenden längst im Beruf sind, ist er für ein Fernstudium prädestiniert. Während dies bei uns noch selten ist, ist es in Amerika, der Heimat des MBA, bereits sehr verbreitet. Viele Firmen entscheiden sich, ihre Angestellten für zwei Jahre zu diesem Studiengang an eine amerikanische Universität zu schicken. Als bei Siemens der Bedarf bestand, interessierten Mitarbeitern eine MBA-Ausbildung zu ermöglichen, man diese aber nicht zwei Jahre entbehren wollte, griff man auf das Fernstudium der über Kabelnetze verbreiteten "Mind Extension University" zurück, statt eigene Kurse aufzubauen.

Das Prinzip der Mind Extension University, das etwa dem Begriff "Erwachsenenbildung" entspricht, hat ein angelsächsisches Vorbild, nämlich die britische Open University OU, die seit 25 Jahren besteht und inzwischen große Anerkennung im angelsächsischen Erziehungssystem erworben hat. In Amerika wurde dieses Modell von dem Medienzar Glenn Jones weiterentwickelt, der nach sehr erfolgreichen Unternehmungen auf dem Gebiet des Kabelfernsehens sich entschlossen hat, große Geldsummen einem neuen Konzept, dem "Education Network", zu stiften. Seit 1988 nehmen über 30 renommierte amerikanische Universitäten an diesem Programm teil und haben ihren Siegeszug in über drei Millionen amerikanische Haushalte angetreten. In speziellen Fernsehsendungen vermitteln hier in besonders konzentrierter Form geschulte Professoren den Wissensstoff, der natürlich von ausgewählten Grafiken unterstützt wird. Der Student seinerseits zeichnet diese Präsentationen mit seinem Videorekorder auf, um sie zum von ihm gewünschten Zeitpunkt ansehen und auch mehrmals abspielen zu können. Damit kann er die Materie gründlich verarbeiten und nicht sofort verstandene Passagen noch einmal wiederholen.

Die Unterrichtsstunde ist beliebig oft wiederholbar

Ab September soll dieses Programm nun zum ersten Mal in Deutschland ausgestrahlt werden. In Deutschland beginnt dieses Pilotprojekt mit dem Lokalsender "TV München", eine Ausdehnung auf die Großräume Köln, Stuttgart und Berlin mit dortigen Lokalsendern ist bei entsprechender Nachfrage bereits geplant. TV München wird hierzu die Kurse jeweils in der programmfreien Zeit vor oder nach dem regulären Programm ausstrahlen, sodaß sie mit entsprechend programmierten Videorekordern aufgezeichnet werden können. Wer zum jetzigen Zeitpunkt außerhalb des Großraums München an den MBA-Kursen teilnehmen möchte, sollte sich einen zuverlässigen Partner suchen, der ihm die Sendungen aufzeichnen und zuschicken kann. Vom Veranstalter ist ein solcher Service nicht realisierbar, da zu aufwendig; die Verteilung über lokale Fernsehsender ist hier - trotz der zu zahlenden Ausstrahlungsgebühren - kostengünstiger. Bei entsprechendem Interesse ist es zu einem späteren Zeitpunkt auch denkbar, neben dem MBA-Studium auch andere Studengänge der Mind Extension University in Deutschland anzubieten.

Bei Fragen kann der Studierende nun - im Gegensatz zu den auch bei uns üblichen Telekolleg- oder Schulfernseh-Sendungen - von zuhause aus mit seinem Professor direkt in Verbindung treten. Dies geschieht über eine Mailbox, bei der man sich "einloggen" und dem entsprechenden betreuuenden Professor eine Nachricht schicken kann. Da das Verhältnis Professor/Student in Amerika normalerweise 1 zu 15 ist, hat dieser Betreuer dabei auch genügend Zeit, die Fragen zu beantworten. In Amerika wird hierfür eine für den Anrufer gebührenfreie Telefonnummer ("1-800") verwendet, die aber von Deutschland aus nicht anwählbar ist, da die in diesem Fall für den Betreiber anfallenden Gebühren enorm wären. Hier bedient man sich vielmehr des Internet. Eine E-mail-Nachricht kann rund um die Uhr gesendet werden und kostet nur jeweils die Telefongebühren des Ortstarifs. Selbstverständlich kann ein Student auch mit anderen Seminarteilnehmern in Kontakt treten und mit ihnen gemeinsam Projekte erarbeiten und Fragen diskutieren. Auf einem "Schwarzen Brett" werden die wöchentlichen Hausaufgaben bekannt gegeben. Zusätzliches Unterichtsmaterial, beispielsweise Artikel, werden ebenfalls elektronisch ins Haus geschickt.

Rückfragen schnell über Internet

Es hat sich übrigens herausgestellt, daß viele Studenten diese elektronische Art der Kommunikation sogar gegenüber dem klassischen Unterricht bevorzugen: In einem Seminarraum kann beispielsweise ein Student die Klasse mit seinen ständigen Fragen monopolisieren, sodaß zurückhaltendere Teilnehmer nicht zum Zuge kommen. Über den Bildschirm scheint dagegen die Hemmung, eine eigene Meinung zu äußern, wegzufallen, und man kann auch nicht von anderen Teilnehmern "an die Wand gedrückt" werden. Der Professor kann also die interessanten Fragen auswählen und allgemein zugänglich machen. Und natürlich ist der Kursteilnehmer unabhängiger - er kann sich seine Umgebung zum Lernen beliebig einrichten, dabei Musik hören und Cracker zu sich nehmen, oder bei Müdigkeit unterbrechen, ohne hiermit andere Teilnehmer zu stören.

Ein deutscher Teilnehmer der Kurse der Mind Extension University braucht also einen Computer, ein Modem und einen Zugang zum Internet. Der Computer ist beliebig, solange ein geeignetes Terminalprogramm hierauf laufen kann. Auch für das Modem sind preiswerte, langsame Ausführungen geeignet, da keine großen Datenmengen übertragen werden müssen. Internet-Zugänge können über den Koordinator vermittelt werden, wobei hier schon einfache, nur für E-Mail freigegebene Zugänge ausreichen. Es kann sein, daß zu einzelnen Kursen noch jeweils ein Buch verlangt wird, dies ist aber dann in Deutschland zum Selbstkostenpreis erhältlich. Die "Hardware-Nebenkosten" sind also relativ gering, wenn man davon ausgeht, daß Fernseher und Videorekorder ja im allgemeinen schon vorhanden sind. Entscheidend für die persönliche Entscheidung sind vielmehr der zu investierende Zeitaufwand und die bei den amerikanischen, stets privat finanzierten Unis unvermeidlichen Studiengebühren.

Voraussetzungen für ein MBA-Studium

Als akademische Vorbildung für das MBA-Studium ist ein Studium an einer deutschen Universität von mindestens sechs Semestern Bedingung. Ist dies nicht erfüllbar, besteht die Möglichkeit, ebenfalls über die Mind Extension University den Titel "Bachelor of Science" (BS) in Business Administration von der amerikanischen Regis University zu erwerben, um Quereinsteigern, die diese Vorausetzungen nicht erfüllen, einen weniger aufwendigen Zugang zu ermöglichen. Nit dem Bachelor of Science ist dann die Aufnahme zum MBA Programm problemlos. Hohen Stellenwert nimmt auch die Berufserfahrung ein, die ein Bewerber auf kaufmännischem Gebiet erworben hat. Fachkenntnisse in Betriebswirtschaft werden allerdings nicht vorausgesetzt.

Eine weitere Grundvorausetzung für die Teilnahme an einem solchen Programm sind natürlich sehr gute Englischkenntnisse, die durch den TOEFL (Test of English as a Foreign Language) nachzuweisen sind. Für Interessenten, deren Englisch noch gefördert werden muß, entwickelt die Firma Siemens gerade ein Computerprogramm, das auf ihrem VALERIE-System basiert. Außerdem verlangen die amerikanischen Universitäten für alle Teilnehmer einen GMAT (Graduate Management Admission Test), in dem Grundkenntnisse in Mathematik und logisches Denken verlangt werden. Die Testunterlagen und zusätzliches Material sind erhältlich bei

CITO-TOEFL

PO Box 1203

6801 BE Arnhem/Niederlande

oder bei

Educational Testing Service

P.O. Box 6108

Princeton, N.J. 08541-6108 USA.

Beide Tests können in mehreren deutschen Städten, darunter natürlich München abgelegt werden - sechs Mal im Jahr der TOEFL, und vier Mal im Jahr der GMAT.

Die Tests kosten 50 Dollar (TOEFL) und 80 Dollar (GMAT), die Prüfungsergebnisse entscheiden dann über die Aufnahme. Selbstverständlich bietet die Mind Extension University Hilfe bei der Registrierung an und organisiert Vorbereitungskurse für die beiden Tests zum Selbstkostenpreis. Diese sind mit 20 Stunden und 500 Mark veranschlagt, aber natürlich nicht erforderlich, wenn der Interessent bereits einsprechend "fit" ist.

Der finanzielle und zeitliche Aufwand

Für den Master of Business Administration (MBA) sind elf Kurse zu belegen. Es werden sieben Pflicht- und vier Wahlkurse angeboten. Bei den Pflichtkursen handelt es sich nicht nur um die "klassischen" MBA-Kurse, wie beispielsweise "Managerial Accounting", sondern auch um Inhalte, die auf internationale Zusammenhänge abzielen. Es ist dabei geplant, auch einen Kurs anzubieten, der sich speziell auf Europa bezieht. Am jeweiligen Kursende steht eine Prüfung, die die Kursteilnehmer in einem Testzentrum in ihrem Land ablegen. Ist der elfte Kurs erfolgreich bestanden, wird der MBA Grad verliehen, eine zusätzliche Abschlußprüfung ist also nicht erforderlich. Die Kosten für ein MBA Studium an der Mind Extension University betragen ungefähr 900 Dollar pro Kurs. Dies ist die übliche Gebühr für "auswärtige" Studenten, die sogenannte "Out-of-State Tuition", die alle Studenten, die nicht in Oregon leben, zahlen müssen. Insgesamt ist mit allen Zusatzgebühren mit knapp 12.000 Dollar, also um die 20.000 Mark, zu rechnen. Dazu kommen noch die Kosten für Bücher, Videobänder, den Internetanschluß, der pro Monat auf ungefähr 20 Mark kommen dürfte, und die Telefoneinheiten. Ein MBA-Studium direkt an einer amerikanischen Universität kann inklusive Lebenshaltungskosten dagegen leicht 200.000 Mark überschreiten.

Für einen Kurs muß der Teilnehmer ungefähr zehn Stunden Zeit in der Woche zur Verfügung haben. Er kann also auch zwei oder drei Kurse parallel belegen, wenn dies seine Zeit erlaubt. Geht er es eher ruhig an, so dauert das MBA-Studium allerdings drei bis vier Jahre. Eine Möglichkeit, den Abschluß zu beschleunigen, ist es beispielsweise, für ein Semester nach Amerika zu gehen und dort dann Vollzeitstudent zu sein. Selbstverständlich ist dann kein gesondertes Aufnahmeverfahren mehr nötig, und man kann sich vorstellen, daß es großen Spaß macht, ein Semester auf einem amerikanischen Campus zu verbringen. Das Studium läßt sich auch unterbrechen, wenn es die berufliche oder familiäre Situation verlangt. Auf Geschäfts- oder Urlaubsreisen können die Bänder aber auch nachgeschickt werden, und man bleibt über ein Notebook weiter mit der Universität in Verbindung.

Die Institute, die den Titel verleihen werden, sind ein Konsortium von Universitäten in Oregon, USA und zwar die University of Oregon, die Portland State University und vor allem die Oregon State University. Alle drei Universitäten gehören der begehrten American Assembly of Collegiate Schools of Business an (AACSB), ein Status, den weniger als ein Viertel der amerikanischen Business Schools genießt und der auf der amerikanischen Rangliste einen hohen Stellenwert einnimmt. Dadurch, daß diese Schulen im oberen Viertel der amerikanischen Rangliste angesiedelt sind, steht auch dem Führen des MBA-Titels ohne Zusätze in Deutschland nichts im Wege. Dazu muß der Titel aber noch jeweils durch das Kultusministerium des Landes, in dem der Kandidat seinen Dauerwohnsitz hat, anerkannt werden. Andernfalls darf er nur mit Angabe der Universität, die ihn verliehen hat, geführt werden.

Wenn man bedenkt, daß das gesamte Programm praktisch zu Hause absolviert werden kann, ohne Verlust für Wege und sich überschneidende Termine, kann ein solches Angebot für einen beruflich oder familiär stark angebundenen Personenkreis durchaus attraktiv sein. In Amerika jedenfalls, der Heimat der MBA, hat dieses System seinen Siegeszug angetreten.

(Angela Jung/WDR)

Angela Jung, Koordinatorin Deutschland MBA-Programm der Mind Extension University, Fax: 089/3541337, E-Mail: ue303az@sunmail.lrz-muenchen.de